14. Oktober 2024 in der BNN

Es ist ein visuelles Kunstwerk

Objekttheater begeistert als „Was man von hier aus sehen kann“-Meta-Inszenierung bei Premiere im marotte Theater 
Von Ron Teeger

„Was man von hier aus sehen kann“ ist der Titel eines 2017 erschienenen Romans aus der Feder von Mariana Leky über ein kleines Dorf irgendwo im Westerwald mit seinen skurrilen Bewohnern. Eine von ihnen ist die alte Selma, die den Tod voraussehen kann. Immer wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt jemand aus dem Dorf innerhalb der nächsten 24 Stunden. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird.
Neben Selma gibt es noch ihre Enkelin Luise, deren besten Freund Martin, die zynische und mysteriöse Marlies, oder den Optiker, der heimlich in Selma verliebt ist. 2022 wurde das Werk verfilmt und gilt seitdem bei Kritikern als die deutsche Version des französischen Films „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Am Samstag präsentierte das marotte Theater in Karlsruhe die Premiere einer eigenen Adaption des Romans unter Regie von Eva Kaufmann. Friederike Krahl spielt darin eine Buchhändlerin, die begeistert von eben jenem Buch, ihrem Lieblingsbuch, erzählt und dabei unterschiedlichste Schlüsselszenen daraus mittels Objekttheater nachspielt.
Auch wenn das 70-minütige Stück hierbei nicht die ganze emotionale Tiefe des Buches darzustellen vermag, gelingt es Krahl mit ihrem sympathischen Spiel das Publikum im ausverkauften marotte Theater zu verzaubern. Die meiste Zeit werden die Personen im Stück durch Figuren aus Fimo, einer Modelliermasse, dargestellt. Doch es gibt noch viel mehr Objekte zu bestaunen.
Kleine Häuser und Kulissen, die auf einem Tisch das Dorf abbilden, ein Pelz, der zu einem Hund wird, unterschiedliche Kleidung oder ein Foto lassen das Stück zu einem visuellen Kunstwerk werden. In einer Szene trifft die mittlerweile erwachsene Luise auf einen buddhistischen Mönch aus Japan mit einem schwäbischen Akzent, der durch einem Mars-Schokoriegel dargestellt wird. Als es zwischen den beiden etwas intimer wird, befreit ihn Luise von seiner Verpackung und erfreut sich daran wie süß er ist und was für eine schöne braune Haut er hat, was beim Publikum für Gelächter sorgt.
Auch wenn es an diesem Abend immer mal wieder Momente zum Schmunzeln und Lachen gibt, handelt es sich bei dem Stück nicht um eine Komödie, sondern um ein Drama, gewürzt mit ein wenig Romantik. Während die Verliebtheit des Optikers das Publikum in eine warme emotionale Decke hüllt, sorgt das Trauma von Luise mindestens einmal für einen Kloß im Hals.
Ein Süßwaren-Reigen, der es in sich hat: Wenigstens als Mon Chéri kommen sich Selma und der Optiker näher. Foto: Ron Teeger