BNN Samstag, 23.06.2012

Großer Spaß mit dem Zottelmonster

Figurentheater marotte bringt das Bilderbuch “Der Grüffelo” auf die Bühne

Er hat schreckliche Hauer und schreckliche Klauen — und doch hat sich im vergangenen Jahrzehnt wohl keine Figur so rasant in Kinderzimmern verbreitet wie “Der Grüffelo” aus dem gleichnamigen Bilderbuch von Julia Donaldson und Axel Scheffler.

Kein Wunder: Schlichtweg großartig in Wort und Bild ist die Geschichte um eine kleine Maus, die bei einem Waldspaziergang nacheinander von Fuchs, Schlange und Eule bedroht wird und jeden von ihnen in die Flucht schlägt, indem sie ihnen vorflunkert, mit dem Furcht erregenden Grüffelo befreundet zu sein. Und sogar als dieses Zottelmonster, das sie sich ja nur ausgedacht hat, leibhaftig auftritt, hat sie eine rettende Idee.

Das und noch mehr lässt sich jetzt auch auf der Bühne mitverfolgen: Das Figurentheater marotte hat aus dem gerade mal 24-seitigen Buch ein knapp 45-minütiges Stück für Kinder ab drei Jahren gezaubert. Und die Inszenierung von Eva Kaufmann ist ein ideales Beispiel dafür, wie man aus dem knappen Text eines Bilderbuches (dessen Kunst in erzählerischer Konzentration liegt) einen quicklebendigen Theaterspaß macht und ganz unaufdringlich die kindgerechten Botschaften vermittelt.

Denn zum einen ist “Der Grüffelo” eine originelle und witzige Geschichte über das Überwinden von Angst mit den Mitteln der Phantasie, macht zum anderen aber auch deutlich, dass man als “kleines Tier im Wald” damit rechnen muss, anderen Tieren zu begegnen. Und dann sollte man wissen: “Kann ich mit diesem Tier kuscheln oder will es mich fressen?”, wie es die Spielleiterin im Mauskostüm (Claudia Olma) eingangs erklärt. Aber bevor sie sich in dieser Frage verrennt, wird sie unterbrochen von der kleinen Maus aus der Geschichte: “Die Kinder wollen doch die Geschichte vom Grüffelo hören!” Was die kleinen Zuschauer mit einem donnernden “Ja” bestätigen.

Und so nimmt das Spiel mit den zauberhaft buchgetreu gestalteten Puppen (Vera Kniss) seinen Lau! — ergänzt um schlüssige Zutaten. So lässt Olma die liebenswert piepsende Maus einer Nuss nachjagen (“Ice Age” und der Running Gag mit der Eichel lassen grüßen), was sie zu den verschiedenen Tieren führt. Da sind der mit italienischem Akzent und südländischem Temperament auftrumpfende Fuchs, die zischelnde Schlange (die das Hypnotisieren per Gesang wohl bei Kaa im “Dschungelbuch” gelernt hat) und der “waschecht badische” Kauz. Und natürlich der Grüffelo, dessen Kostüm sich Olma direkt überstülpt, wobei sie die bedrohliche Größe durch drolliges Gebaren ausgleicht, um Kinderfurcht gar nicht erst aufkommen zu lassen. Aber wie der Grüffelo aussieht, dürfte ohnehin ein Großteil der potenziellen Besucher schon wissen — was die Theaterbegegnung mit ihm erst recht zum Vergnügen macht.

Andreas Jüttner