BERGSTRÄSSER ANZEIGER, 19.11.2017

Harte Kerle mit einem weichen Herz

BENSHEIM. Herrlich unkonventionell und rotzfrech – fernab von gängigen Klischees – eroberten „drei grimmige Räuber“ im Handumdrehen die Herzen der kleinen und großen Zuschauer. Die spannende Geschichte vom Räubertrio in schwarzen Mänteln und schwarzen Hüten, das in jeder schwarzen Nacht im tiefen finsteren Wald Kutschen überfällt und Reisende ausraubt, strotzte nur so von lustigen und skurrilen Einfällen, Ideen und Überraschungen. Trotz alledem ist sie kein bisschen gruselig, sondern einfach bezaubernd und zärtlich erzählt.

Der Förderverein Freunde des Parktheaters hatte zu seinem letzten Stück für Kinder in diesem Jahr auf die Theaterbühne eingeladen und mit Claudia Olma und Sebastian Kreutz vom marotte-Figurentheater aus Karlsruhe wieder einmal ein gutes Händchen bewiesen. Freuen über ein ganz besonderes Theatererlebnis konnten sich dieses Mal Mädchen und Jungs ab vier Jahren samt Eltern und Großeltern.

Geld oder Leben
Die Geschichte zeigte, dass schon kleine Kinder ein Haufen Fantasie besitzen, über eine Menge Kreativität verfügen und sich nicht an der Nase herumführen lassen, wenn die Räuberbande in rabenschwarzer Nacht hinter einer großen weißen Leinwand anfangs lediglich als helle Lichtpunkte zu sehen ist. Zweifel gab es keine Sekunde lang: Die drei Blitze sind Räuber. Wer oder was sonst!

Wie im Sausewind verging die Zeit bei dem Theaterstück „Die drei Räuber“, frei nach dem Kinderbuchklassiker von Tomi Ungerer unter Regie von Thoma Hänsel. Reihenweise „fallen Frauen um“, wenn die schrecklichen Kerle die Pferde vor den Kutschen verjagen, indem sie ihnen mit einem Blasebalg Pfeffer in die Nüstern pusten und die Passagiere mit einer Vorderlagepistole bedrohen. Die Sache ist klar: Geld oder Leben. Die schrecklich gierigen Kerle haben es auf Diamanten und Gold abgesehen.

In einer einzigartigen Mischung aus Figuren- und Schauspiel, aus buntem Licht- und Schattenspiel erweckten die beiden Darsteller die Bilder aus dem Kinderbuch auf ihrer kleinen drehbaren Bühne zum Leben, sie spielten mit vier Handpuppen, heulten dazu wie ein Wolf, schrien wie eine Eule und wieherten wie ein Pferd.

Und sie animierten das Publikum zum Mitmachen. Selbst einige Väter scheuten sich nicht, der Aufforderung der Künstler Folge zu leisten und in lautes Wolfsgeheul auszubrechen. Sehr zur Freude und Überraschung ihres Nachwuchses. Dass die Figurenspieler die Geschichte über Freundschaft und den Wert der Dinge immer wieder mit viel Musik, lustigen Texten und eine Menge Schabernack aufmotzten, steigerte das Vergnügen der Zuschauer.

Wie könnte es anders sein, das „Popellied“ (ein Popel gegen ein Küsschen) schoss eindeutig den Vogel auf der Beliebtheitsskala ab und traf den Geschmack der Kinder. Botschaften wurden von den Künstlern so unaufgeregt, liebevoll und gleichzeitig einleuchtend und nachvollziehbar in spielerische Szenen verpackt, dass jeder erhobene Zeigefinger fehl am Platz und einfach nur überflüssig gewesen wäre.

Als Tiffany, die kleine rothaarige Göre, ins Spiel und in die Räuberhöhle kam, wirbelte sie nicht nur den Alltag der „Nachtarbeiter“ kräftig durcheinander, sondern erreichte auch deren Herzen. Wenn die Räuber von ihren nächtlichen Raubzügen zurückkehren und auf dem frisch gewischten Fußboden gleich Mal einen Salto hinlegen, freut das natürlich die kleinen wie die großen Theaterbesucher. Und wenn es zum „Frühstück bei Tiffany“ leckere Spagetti gibt, wissen zumindest die Erwachsenen, was es damit auf sich hat.

Die kleine Göre mag es bunt
Noch so eine schöne Idee. Die Frage nach ihrer Lieblingsfarbe beantworten die Räuber ganz unterschiedlich: rot, gelb, grün. Aber Tiffany mag es am liebsten bunt. Einleuchtend! Schließlich stellt das pfiffige Mädel den drei Kerlen mit den schwarzen Hüten und den schwarzen Umhängen die entscheidende Frage. Was tun mit den Diamanten, den Smaragden und dem Gold? Auch das Publikum ist gefragt und trägt mit durchaus ungewöhnlichen Antworten zur allgemeinen Erheiterung mit bei.

Die Räuber aber haben sich entschieden: Sie kaufen ein Schloss und laden all diejenigen Kinder ein, die kein Zuhause haben. Sie bekommen rote Mäntel und rote Hüte und dürfen bis zur Heirat bleiben. Danach bauen sie sich rund um das Schloss eine kleine bunte Stadt mit drei Türmen.

Gerlinde Scharf