BNN, 24.10.2016

Kasperl in der Konsumfalle

*Überraschend, witzig und verblüffend: marotte zeigt “Arbeitslos und Spaß dabei”

Die Vorfreude auf den Premierenabend war groß und eines solchen Anlasses durchaus würdig. Denn die Marotte war voll, richtig voll und mit allem was dazu gehört: Empörung über nicht lange genug aufrecht gehaltene Reservierungen, das Suchen von Gruppen und Pärchen nach den allerletzten freien Einzelplätzen und das Sitzen auf dem Fußboden. So gespannt war das Publikum also auf die neue Produktion der aufregend leidenschaftlichen Puppenspieler Carsten Dittrich und Thomas Hänsel. Und das als “rasant” angekündigte Stück “Arbeitslos und Spaß dabei” wurde zurecht begeistert aufgenommen.

Die Handlung hangelte sich an einem in die Jahre gekommenen und zur Routine verkommenen Kasperletheater entlang, das sich aus den egoistischen Interessen von Kasperl und Teufel nur zu gerne und enthemmend einem amerikanischen Hedgefonds in die Arme wirft. So gerät das Spiel des russischen Märchens “Der Wundertopf” heftig aus den Fugen und alle, ob Wachtmeister, Gretel, Hexe oder Krokodil machen bei der Selbstaufgabe letztlich begeistert mit, ehe es zu spät ist und alle gefeuert oder über das Ohr gehauen sind. Und “Amerika” mitsamt seiner radikalen Wirtschaftsidee und in Gestalt eines bedrohlich witzigen Donald Trump schließlich gewonnen hat. Dass das Team um Regisseur Pierre Schäfer und Texter Ronald Mernitz hierbei bisweilen allzu kräftig in das historisch und aktuell noch lange nicht erledigte Regal des deutschen Kapitalismus-Skeptizismus und Antiamerikanismus greift, hätte soweit leicht zum Scheitern des gesamten Stückes geraten können. Doch hierfür sind Mittäterschaft und Hingabe für allerlei Tand und Unnützes des traditionellen, also “deutschen” Protagonisten zu hübsch herausgearbeitet. Wir stecken alle seit Jahrzehnten schon nur allzu begeistert mit drin: Konsum, Entsolidarisierung am Arbeitsplatz und absolutes Primat des eigenen Glücks sind längst ein so fester Bestandteil der hiesigen Volks- und Ökonomieseele geworden, dass dafür nicht mehr andere verantwortlich gemacht werden können. Am Ende sprengen wir uns zum Sound von Stairway to Heaven halt ins Nirvana. Irgendwie sind wir alle wie Wachtmeister Lehmann, der noch nicht einmal dann aufwacht, wenn ihm der Teufel “das ist ihre letzte freie Entscheidung” zuraunt. Und verhaften uns am Ende selbst.

“Arbeitslos und Spaß dabei” — die marotte verpackt uns diese eigentlich nur kaum frohe Botschaft in ein immer überraschendes, witziges und technisch verblüffendes Figurentheater für Erwachsene. Die weitere Termine bis Jahresende dürften also auch sehr gut besucht sein.
Matthias Dreisigacker