Rheinpfalz, 07.10.2015

Der Diktator in zweierlei Gestalt

“Er ist wieder da” beim marotte-Figurentheater

Das Figurentheater Marotte hat sich in der Reihe seiner Erwachsenen-Stücke eines schweren, ambivalenten Themas angenommen und unter der Regie von Detlef Heinichen “Er ist wieder da“ nach einem Roman von Timur Vermes mit dem Mitteln des Figurentheaters nahegehend umgesetzt. Der Stoff ist “in”. Morgen hat der gleichnamige Film von David Wnendt seine Premiere, auch in Karlsruhe.

In der Marotte leisteten die beiden Darstellern Carsten Dittrich und Jan Mixsa vor und hinter Bühne Schwerstarbeit. Dabei gelang ihnen eine perfekte Verschmelzung mit den von ihnen geführten und gelebten Figuren. Im Kopf des gebannten Zuschauers entstanden lebendige Bilder von der Figur Hitlers, einer geldgeilen Fernseh-Produzentin oder der Punk-Sekretärin mit großem, sanften Herz.

Im Grunde ist diese blässliche, grau-fahle Gestalt fast zu bedauern. Wie sie so irritiert und verwirrt durch die Straßen der Hauptstadt wankt, kaum den Autos ausweichen kann, ausgezehrt in der schmutzig braunen Uniform und mit dem lächerlichen Schnauzbart den Nächstbesten ungläubig mehrmals nach dem Datum fragt. Auch wenn es der Mittfünfziger nicht glauben mag: er, der unerschütterlich als seinen Namen Adolf Hitler angibt, ist im August 2011 aufgetaucht. Was am Ende in einer, dem Stoff durchaus angemessenen Tragödie und Systemkritik gipfelte, begann ganz leichtfüßig und salopp als Komödie. Die beiden Darsteller hatten großen Spaß daran, auf der minimal ausgestatteten Bühne, es gab lediglich einen plüschigen Schreibtisch mit Telefon, schuhplattelnd einen Alpen-Rap zu singen und damit auf den Protagonisten vorzubereiten. Nach dem dieser bei einem Geschäftstüchtigen Kioskbetreiber erst einmal Unterschlupf gefunden hat, nimmt die Vermarktung der originellen Gestalt, die niemand als echt, als Original anerkennt, mit rasanter Geschwindigkeit Fahrt auf.

Zwar heißt es einmal, “sie sehen aus wie Adolf Hitler”, oder “man könnt grad mäne, Sie wärens!”, aber so richtig ernst wird der Abstinenzler und Vegetarier nicht genommen.

Gleich mit zwei Puppen wird Hitler dargestellt; Figuren und Bühne stammen aus der Hand von Matthias Hänsel. Zum einen ist da eine kleine Handpuppe, aber viel dominanter wirkt allein wegen des Übermaßes des karikaturenhaften Kopfes die lebensgroße Figur. Sie verschmilzt mit Puppenspieler und Schauspieler Jan Mixsa, der dazu noch treffend den ganzen Abend über den schnarrenden, harschen Tonfall des Diktators imitiert. Daneben spielen in Form von Handpuppen der Kioskbesitzer, ein Fernsehagent, die Produzentin und in Gestalt einer blonden Barbie eine penetrante Schundpresse-Journalistin eine Rolle. Hitler wird in eine platte Witze-Show gesteckt und kommt bei vielen zuerst besser an als der eigentliche Possenreißer. Doch bald und endlich kommt Unbehagen über die Weltsicht des Eigenbrötlers auf.

Nach immer noch eher skurrilen Szenen, Hitler bei Neonazis oder in der türkischen Reinigung, kommt sein wahres Ich im Dialog mit seiner Sekretärin hervor. Ihr Appell an sein Gewissen, ihr Wunsch nach Entschuldigung für die Gräueltaten unter dem Naziregime bleiben unerhört. Der Wiederkehrer bleibt alleine zurück, er wird verschmäht und ausgerechnet von Rechts-Extremisten fast tot geschlagen. Es wirkt unglaublich erleichternd. dass der Diktator keinen Platz mehr in der heutigen Welt findet und sein Traum von einer erneuten Herrschaft wie sein Spiel-Luftballon am Ende zerplatzt, er sich nur noch in die Galerie weiterer schrecklicher Despoten einreihen kann.