BNN Montag, 05.10.2015

Treffende Spitzen

“Ich bin wieder da” im marotte-Figurentheater

Beinahe wär’s passiert. Premiere von “Ich bin wieder da”: Die Stimmung im marotte-Figurentheater war aufgeheizt, man konnte an Berlin, Goebbels, Sportpalast, 1943 denken, als es von der Bühne schrie “Sieg …” Aber das Publikum, das vorher noch fröhlich auf die Aufforderungen von da vorne reagiert hatte, hielt plötzlich inne, nur ein, zwei Zuschauer stolperten in ein “Hei …”, das sie rasch selbst ausbremsten.

Keine Bange: “Ich bin wieder da” betreibt keine – auch keine verkappte oder unterschwellige – nationalsozialistische Indoktrination, auch wenn die Hauptfigur Adolf Hitler heißt. Die Inszenierung von Detlef Heinichen steckt voller Witz, provoziert die heizhaftesten Lacher, und stimmt am Ende auf einen Weise nachdenklich, die noch so ziselierte Betroffenheitsreden nie erreichen würden.

Die Geschichte nach dem Roman von Timur Vermes ist schlicht: Hitler taucht nach 66 Jahren wieder in Berlin auf. Ein Kioskbesitzer nimmt sich des Obdachlosen an, von dem er meint, dass er knallhart komisch und zum Brüllen überzeugend auf “Führer” macht. Ein Typ fürs Fernsehen, und tatsächlich gerät der NS-Untote in die bundesdeutsche Medienmaschinerie, was Anlass für zahlreiche satirische Spitzen gibt.

Dass sie mitten ins Zuschauerherz treffen, dafür sorgen zum einen die pfiffigen Figuren, die Matthias Hänsel mit viel Feingefühl gestaltet hat. Zum anderen verdankt sich die Wirkung aber den beiden Akteuren: Jan Mixsa gibt einen gleichermaßen grantigen wie unbelehrbaren und weltfremden NS-Diktator, Carsten Dittrich tritt in unterschiedlichen Rollen auf, ist mal türkischstämmiger TV-Moderator kurz vor dem
Verfallsdatum, mal strammer deutscher Bursch- Darüber erwecken die beiden Schauspieler mit ihren Stimmen die unterschiedlichen Figuren auf eine Weise zu Leben, dass man meinen könnte, da stehen Menschen auf der Bühne. Begeisterter Applaus.

Michael Hübl