Mondreise endet im Kartoffelsack

Figurentheater marotte zeigt „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“

Zwar gab es den Räuber Hotzenplotz durchaus schon mal in Fleisch und Blut: 1974 verkörperte der große Gert Fröbe für einen Kinofilm den bärtigen Gauner. Doch eigentlich ist der fluchende Pfefferpistolen-Fuchtler eine Figur aus dem Puppentheater: Als Otfried Preußler 1962 sein Buch „Der Räuber Hotzenplotz“ veröffentlichte, nannte er es im Untertitel „Eine Kasperlgeschichte“. Denn das Geschehen bot in erster Linie alle Figuren eines klassischen Kasperltheaterstücks: Kasperl, Seppel, Großmutter, Räuber, Polizist und Zauberer. Und so zeit- und alterslos wie all diese Typen ist nun auch der Räuber Hotzenplotz, der als Archetyp der Kinderliteratur einen ähnlichen Status hat wie Pippi Langstrumpf oder Jim Knopf.

Entsprechend groß war der Wirbel, als 2018 eine in Vergessenheit geratene Hotzenplotz-Kurzgeschichte in Preußlers Nachlass gefunden und unter dem Titel „Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“ veröffentlicht wurde. Dieses Abenteuer, das zwischen dem ersten und dem zweiten Hotzenplotz-Buch angesiedelt ist, ist nun höchst unterhaltsam im Figurentheater marotte zu erleben. Dort schließt der 45-minütige Spaß für Zuschauer von fünf Jahren an direkt an die seit 2006 laufende Produktion „Der Räuber Hotzenplotz“ an: Erneut spielen Friederike Krahl und Carsten Dittrich unter der Regie von Eva Kaufmann mit den gleichen Puppen. Erneut kommt eine drehbare Kasperbude zum Einsatz, in der das Geschehen im Nu von Großmutters Küche in den Wald, von dort auf die Wiese und sogar auf den Mond verlagert werden kann.

Die Story ist überschaubar: Hotzenplotz flieht aus dem Spritzenhaus, weil der Wachtmeister Dimpfelmoser die Tür nicht abgesperrt hat. Kasperl und Seppel fangen ihn mit einer List wieder ein: Sie machen dem Räuber weis, sie wollten zum Mond fliegen‘, der ganz aus Silber bestünde; Gierig wie er ist, will Hotzenplotz selbst zum „Sicherheitsgurt“ (ein Seil) zu fesseln.

Die reine Handlung war freilich nie das Wesentliche in den Hotzenplotz-Geschichten, sondern nur Anlass für die witzigen Wendungen und Episoden. Das ist hier nicht anders: So wird es zum „running gag“ der ersten Szene, wie sich die Figuren ständig einander verpassen. Erst sind es Kasperl und die Großmutter, dann Seppel und die beiden Genannten, und schließlich mischt auch noch der Wachtmeister mit.

Solche Slapstick-Elemente haben die marotte-Spieler selbst beigesteuert, erklärt Theaterleiter Thomas Hänsel. Mit dem Verlag für Kindertheater Hamburg, bei dem die Rechte liegen, arbeite man oft zusammen. Das gute Vertrauensverhältnis habe dazu geführt, dass die marotte bereits 2019 ein deutschlandweites Exklusivrecht für die Geschichte angeboten bekam. Mit der Premiere hat es zwar bis 2020 gedauert. Aber Hänsel sieht kein Problem darin, dass nun auch andere Figurentheater den Titel im Programm haben: „Wir haben eine feste Spielstätte hier in Karlsruhe, für deren Publikum spielt das keine Rolle.“ Ein Weiterer Vorteil des eigenen Hauses: „Wir können neue Stücke gleich ein paar Mal spielen“, sagt Hänsel. Eine Premiere sei erst mal ein Arbeitsergebnis. Richtig rund sei eine Inszenierung nach acht bis zehn Aufführungen – gerade im Kindertheater, wo es auf die Reaktionen des Publikums ankommt. Auf Schauspielbühnen ist manche Produktion nach zehn Terminen bereits abgespielt, im Figurentheater läuft sie dann erst warm. Dafür soll sie das Repertoire dann auch lange bereichern. „Man weiß vorab nie, wie lang ein Stück funktioniert“, sagt Hänsel. ,,,Die drei kleinen Schweinchen‘ spiele ich jetzt seit mehr als 25 Jahren.“

Andreas Jüttner