Die Rheinpfalz 31.10.2018

Wer ist gut?

Das marotte-Figurentheater in Karlsruhe zeigt als Produktion für Enzvachsene „Adams Äpfel“ mit Staatsschauspieler Sebastian Kreutz

Das Figurentheater marotte aus Karlsruhe hat im Theaterhaus in der Kaiserallee 11 unter der Regie von Friederike Krahl den dänischen Spielfilm „Adams Apfel“ aus dem Jahr 2005 als dichtes, anspruchsvolles Puppenspiel inszeniert. Geführt, mit Mimik, Gestik und Stimme versehen werden die beige-grauen Figuren faszinierend und permanent fesselnd von Staatsschauspieler Sebastian Kreutz.

Kann ein Mensch, der sich vorgenommen hat, einen Apfelkuchen zu backen, wirklich nur schlecht sein? Diese Frage beantwortet Ivan, ein Pastor und Leiter eines Resozialisierungshauses für Kriminelle, aus tiefsten Gutglauben heraus mit einem Nein. Und so geht er die Herkulesaufgabe an, seinen Neuzugang Adam zu befrieden, sogar auf die Gefahr hin, dass er dabei selbst größtmöglichen Schaden nimmt.

Auf zwei Ebenen, einem länglichem Tisch für die kaum 25 Zentimeter großen Figuren und der eigentlichen Bühne für Kreutz, spielt die hintersinnige, verwirrende und durch starke Gefühle geprägte Handlung. Der Sprung zwischen den imaginären Räumen wird durch passende Leinwand-Projektionen verstärkt, extreme Emotionen sind durch eindringliche Musik unterstützt.

Vom Publikum wird in den knapp 90 Minuten Spieldauer absolute Konzentration gefordert. Es geht nicht einfach nur um gute und böse Menschen, um Missionare und Bekehrte, um den wohlwollenden Gott und den unheilvollen Teufel. Die Grenzen dazwischen sind fließend, verschwommen und verschieben sich allmählich.

Ein Hauptakteur ist der kriminelle Neonazi und Skinhead Adam, der nach seiner Haftstrafe unter den Fittiche von Pastor Ivan auf ein normales Leben vorbereitet werden soll. Der Pastor und zweite Hauptakteur des Spiels glaubt unerschütterlich an einen guten Gott und an das Gute in jedem Menschen. Damit verdrängt, ja leugnet er geradezu sein eigenes, chaotisches Leben. Es ist geprägt durch sexuellen Missbrauch als Kind, durch seine Ehefrau, die sich umgebracht hat, durch den schwerstbehinderten Sohn und schließlich durch einen Gehirntumor, der zu seinem Tod führen könnte.

Misanthrop Adam erkennt mit Hilfe eines diabolischen Arztes, der trotz seines wissenschaftlichen Anspruches viele Zweifel in sich trägt, dass Ivan in einer emotionalen Blase lebt und alles Schlechte um ihn herum als Prüfung des Teufels versteht, Brutal reißt der Kriminelle den Seelsorger aus seiner Scheinwelt. Mit fatalen Folgen für die gesamte Wohngemeinschaft. Als Sinnbild für deren Zerfall kämpft ein Apfelbaum mit heranreifenden Früchten um sein Überleben. Er trägt die Äpfel, die Adam für seinen Kuchen verwenden will.

Die Protagonisten sind schwermütig oder aggressiv, haben Rückfälle in ihre scheinbar überwunclene Sucht. Und doch ist dabei immer noch ein Rest an Moral, an tief verschütteter Menschlichkeit, die die Gemeinschaft auf wundersame Weise rettet. Die ganze, heftige Dramatik lässt auch im Bühnenstück Raum für Absurdes, für schwarzen Humor. Die skurrilen Charaktere lebt Sebastian Kreutz voll aus, wechselt ansatzlos die Rollen und schafft durch Stimm-Modulation und unterschiedlich verwendete Sprachstile und Dialekte eine klare Trennlinie zwischen den Figuren. Schließlich, als Katharsis dieser tragischen Komödie, streben Adam und lvan keine konträren Ziele mehr an, sondern lachen gemeinsam und befreiend.

BARBARA EICHENLAUB